Talking Object
Wie ein kleines StĂŒck Holz die GesprĂ€chskultur grundlegend verwandelt
Es ist 8.45 Uhr im groĂen Veranstaltungssaal. Die ersten der fast zweihundert Teilnehmenden betreten neugierig aber auch etwas unsicher den Saal. In der Mitte des Raumes liegen auf einem runden Teppich etwa dreiĂig GegenstĂ€nde – Holzkugeln, HolzstĂ€be, Oloide, Steine. Die ersten werfen sich fragende Blicke zu und zeigen mit den Fingern auf die GegenstĂ€nde. Einzelne gehen hin, heben den einen oder anderen auf und begutachten ihn.
Die GegenstĂ€nde werden spĂ€ter in den Kleingruppen als Sprechobjekte dienen. Der Redestab (talking stick) wurde in der Indianischen Kultur jahrhundertelang bei wichtigen GesprĂ€chsrunden und Beratungen eingesetzt. Er war ein wohl gehĂŒteter Kultgegenstand. Seine Funktion ist im Grunde genommen sehr einfach: wer ihn in der Hand hĂ€lt, hat die Möglichkeit, vollkommen unterbrechungsfrei zu sprechen, alle anderen hören aufmerksam zu.
Das Wesentliche dabei ist das Lenken der Aufmerksamkeit. Der Sprecher richtet seine Aufmerksamkeit ganz nach innen und kann sich Zeit lassen, wirklich in sich zu hören, was nun gesagt werden will, was jetzt wesentlich, wahr und von Bedeutung ist. Die anderen richten ihre Aufmerksamkeit ganz auf den Sprecher und sind nicht schon mit ihren eigenen Sichtweisen oder Argumenten beschÀftigt. Dadurch entsteht eine besondere QualitÀt und IntensitÀt an Aufmerksamkeit.
Es gibt verschiedene Formen, wie das Sprechobjekt eingesetzt wird. Voraussetzung ist das Sitzen in einem Kreis. Ăblicher Weise geht das Sprechobjekt einmal, manchmal zweimal ganz herum, so dass jeder nacheinander Gelegenheit hat zu sprechen. AnschlieĂend kann das Sprechobjekt in die Mitte des Kreises gelegt werden, so dass nacheinander noch sprechen kann, wer möchte.
Eine GesprĂ€chsrunde mit Sprechobjekt ist etwas vollkommen anderes als eine Gruppendiskussion. Das Sprechobjekt gibt dem GesprĂ€ch eine klare Struktur und sorgt so dafĂŒr, dass jeder sprechen kann und gehört wird, und zwar unabhĂ€ngig von Rolle oder Hierarchie, dass alle Perspektiven und Argumente in gleicher Weise gĂŒltig sind, dass man nicht unterbrochen wird, dass keine manipulativen Fragen gestellt werden und dass durch das aufmerksame Zuhören letztlich VerstĂ€ndigung geschieht.
Selbst oder gerade in Situationen mit scheinbar gegensÀtzlichen Standpunkten oder emotional aufgeladenen Konflikten kann der Einsatz eines Sprechobjektes Wunder wirken.
Probieren Sie es aus, wenn Sie das nÀchste Mal ein Meeting leiten. Statt einer Diskussion zu einem Thema initiieren Sie eine Runde mit Sprechobjekt. Jeder ist eingeladen seine Perspektive zu teilen. Keine Zwischenfragen, nur aufmerksames Zuhören. Sie achten nur auf das Einhalten der Prinzipien. Das kann nach der Vorstellung eines Konzeptes ebenso geschehen wie zur Analyse einer Situation, zum Review ebenso wie zum Visionieren. Beobachten Sie dabei, ob und wie sich die Stimmung Ihres Meetings verÀndert und wie die Teilnehmenden miteinander umgehen.
Gutes Gelingen!
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